»Grade School Guernica«
Ich hatte schon mehr als zwanzig Versionen des Themas Guernica gemalt, als ich eingeladen wurde, zu einer Art Schaumalen im »Station Museum« in Houston, Texas. Was mir mit meiner bisherigen Reihe an Bildern noch nicht gelungen war, war es, eine Version zu schaffen, die größer als Picassos Original ist. Mit Größe umzugehen, ist nie ein Problem für mich gewesen.
Ich habe früher unzählige großformatige Werbetafeln gemalt, aber nie ein derart großformatiges Ölgemälde. Das war es, was ich wirklich wollte. Die Werbetafeln werden am Ende vernichtet, was einen schon etwas entmutigen kann. Ich wollte etwas Großformatiges schaffen, daß bestehen bleiben könnte.
Das Schaumalen im Museum betrachtete ich als eine Gelegenheit, dieses Ziel zu erreichen. Mangel an ausreichend Platz und Ausstellungsmöglichkeiten waren die Gründe aus denen ich Guernica bisher noch nie in einem so großen Format gemalt hatte. Die einzige Möglichkeit, dies umzusetzen, sah ich darin, die Museumsdirektoren zu überzeugen, mich doch mein Werk im Museum schaffen zu lassen. Sie stimmten nicht nur zu, sondern sie hatten auch eine Leinwand, die in Höhe (3,70 m) und Breite (8,20 m) je etwa noch 30 cm größer war, als Picassos Original.
Die Eröffnung sollte drei Wochen nach Beginn meiner Arbeit sein. Ich malte, während das Museum seinen Besuchern offen stand und so wurde der Entstehungsprozess meines Bildes Teil der Ausstellung. Jetzt mußte ich mir eine neue Bildversion einfallen lassen. Picasso wurde damals während des Entstehungsprozesses seines Guernica-Bildes fotografiert. Auf den Fotos sieht man, daß sich die Struktur auf der Leinwand im Laufe des Monates, den er daran arbeitete, grundlegend änderte. Deshalb kann man auch so seltsame Geisterbilder hinter seinen Figuren erkennen.
Ich dachte mir, ich könnte die ersten drei oder vier Tage seines Schaffensprozesses imitieren, um dann die Struktur in den nächsten Wochen im Museum in meine eigene Richtung zu lenken. Schließlich änderte ich meine Meinung ein paar Tage, bevor ich mich nach Houston aufmachte. Ich dachte daran, wie historische Ereignisse am Ende zu Kindergeschichten verkommen, die bar ihrer ursprünglichen Bedeutung sind. Ich suchte nach einem Bild, was eine Kreuzung zwischen Schulhofspiel und surrealem Karneval darstellen sollte und so meinem Werk noch eine weitere trennende Schicht auflegen würde, die es vom Original distanziert.
Ich ließ meine Kinder ins Studio kommen, um für ein paar Fotos zu posieren und fertigte dann, in der Nacht bevor ich aufbrach, eine Skizze an. Die drei darauf folgenden Wochen waren ziemlich hart. Ich brauchte eigentlich etwa sechs Wochen. Picasso hat einen Monat für sein Bild gebraucht, allerdings ist es auch nur zweidimensional. Viele Leute kamen vorbei, die Fragen stellten und versuchten, politische Diskussionen anzufangen. Das hat eine Menge Spaß gemacht, mich aber auch abgelenkt.
Der Künstler Clark Fox arbeitete zur selben Zeit gerade an einem Wandgemälde und Gibby Haynes von den Butthole Surfers kreuzte, eine Woche nachdem ich angekommen war, mit einem Kasten Bier unterm Arm auf. Er war dort, um eine Installation zu schaffen und um schließlich alles in eine zweiwöchige Party zu verwandeln. Mich auf meine Sache zu konzentrieren wurde daher nun etwas schwieriger.
Die Tage waren lang und das Malergerüst, was hin und her schwankte während ich malte, war alt. Manchmal hatte ich das Gefühl zu surfen. Abends konnte ich mich immer kaum noch auf den Beinen halten. Danach gönnten wir uns, der Museumsdirektor Jim Harathis, Gibby, Clark und ich, jeden Abend Margaritas und mexikanisches Essen, bevor wir zu Jims Haus zurückkehrten, wo wir alle übernachteten. Jeden Morgen bekamen wir nach dem Aufstehen ein hausgemachtes Frühstück und kehrten dann in das große klimatisierte Museum zurück, um uns wieder an die Arbeit zu machen.
Das Museum hatte eine ganze Menge cooler, junger Künstler angestellt, die den Tag über Kaffee und Essen kaufen gingen, so daß wir ununterbrochen arbeiten konnten. Ich habe quasi drei Wochen lang mein Traumleben gelebt. In der Nacht vor der Eröffnung konnte ich mein Werk dann noch fertig stellen. Zur Eröffnung am nächsten Tag kamen meine Frau und meine Kinder nach Houston, dazu noch meine Mutter, Schwiegermutter, meine Schwager und Schwägerinnen, Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen und ein Haufen enger Freunde. Fünf Bands traten in einem Zelt auf dem Museumsparkplatz auf, unter ihnen The Sutcliffes, Daniel Johnston und Gibby Haynes. Kinky Friedman hielt eine satirische, politische Rede und die ganzen berühmten Kunstautos des Art Car Museum fuhren rund ums Museum.
Es war eine tolle Eröffnungsfeier. Seit ich es damals malte, ist Grade School Guernica“ ein ziemlich bekanntes Gemälde geworden. Es ist in Büchern und Zeitschriften auf der ganzen Welt erschienen. Ich habe lebensgroße Drucke davon auf Werbetafeln in Spanien und auf der israelisch-palästinensischen Grenzmauer angebracht. Und im Gegensatz zu den Hunderten von großformatigen Werbetafeln, die ich in der Vergangenheit schon gemalt habe, gibt es Grade School Guernica“ immer noch.
Ron English
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