Der tägliche Hitler
Das Schicksal seiner Familie und die seines Landes sind dicht verbunden mit den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Seine Abschlußarbeit an der »Bezalel Academy of Art and Design« in Jerusalem ließ moralische Diskussionen aufkommen. Thema dieser Arbeit: Adolf Hitler.
Der Grafik-Designer Nir Avigad (geboren 1981) ist Sohn israelischer Eltern. »Mein Großvater mütterlicherseits wurde in der Tschechoslovakei geboren, seine Mutter schickte ihn nach Israel bevor die Nazis in seinem Land einmarschierten. Als er hier ankam war er 17, seine Mutter wurde getötet« schrieb Nir mir zur Familiengeschichte.
Seine eigene Laufbahn ist relativ unspektakulär für einen Israeli, wie er mir versicherte. Er absolvierte die High School mit 18, mit 21 wurde er vom Militär freigestellt und ging dann vier Jahre auf die Design-Akademie. Seine Abschlußarbeit im Fach Visuelle Kommunikation heißt »The Daily Hitler« und zeigt auf 150 Karten den Kopf von Adolf Hitler als Piktogramm. Jede Grafik zeigt einen »anderen« Hitler: Ein neuer Tag ein neuer Hitler. Der Hitler mit spitzem Schnurbart ist »Dalí Hitler«, einer mit Einsteinfrisur und herausgestreckter Zunge ist »Genius Hitler« und eine Mauer mit einem fehlenden Stein stellt den »Pink Floyd Hitler« dar.
Mit viel Witz begegnet Nir hier dem grausamen Naziverbrecher und degradiert ihn zu einer Cartoon-Figur. Ich wollte von ihm wissen, welche Reaktionen er auf seine Arbeit bekam. Nir dazu: »Amon Zuckerman, der Präsident der Bezalel Academy, sagte, daß das Institut seine Studenten in keiner Weise einschränkt, es sei denn es handele sich um grobe Geschmacklosigkeiten. Ich denke nicht, daß wir es hier mit etwas anstößigem zu tun haben, sagte er, Ich hätte wohl nicht unbedingt Hitler abgebildet, aber Nir Avigad bestand darauf, wohl der Meinung damit mehr Aufmerksamkeit zu erregen«, Nir weiter: »Alles in allem hat meine Arbeit gute Resonanz hervor gerufen, ihr Inhalt wurde mehrfach in Online-Artikeln und Blogs diskutiert.«
Die Anstößigkeit, die einige Menschen in »The Daily Hitler« sehen, ist oft die humoreske Darstellung des Nazi-Diktators. Die Ernsthaftigkeit und Brutalität von Hitlers Verbrechen ist für viele nicht konform zu Avigads leichter Arbeit. Nir sagte der israelischen Tageszeitung Haaretz: »Genauso wie Marilyn Monroe ein Symbol für Schönheit, der Dalai Lama ein Symbol für Frieden und Mutter Theresa eines für Barmherzigkeit ist, ist Hitler auch ein Symbol ein Symbol des Bösen.« Daraus folgend stellte ich auch meine Frage: Was gab Dir die Idee Adolf Hitler als Protagonist in Deiner Arbeit zu verwenden? Nir schrieb mir: »Meine Entscheidung, Hitler abzubilden, ist dem Gefühl des Sieges und der Freiheit zuzuschreiben, das ich eben durch die Wahl der Darstellung des Mannes hervorrufen wollte, der versuchte jegliche Freiheit und Kreativität zu unterbinden. Ich glaube, daß Hitlers Konterfei uns gehört und wir es nach unserem Gutdünken verwenden können. Ich füge Hitler in meine Welt der Bilder ein und mache ihn damit zum gedemütigten Opfer, zum Motiv einer Vielzahl von ausgelassenen Darstellungen. Die jüdische Sicht der Dinge ist emanzipiert und bestimmt die Form der visuellen Kommunikation.«
Natürlich ist Nir speziell durch seine »The Daily Hitler«-Arbeit in alle Munde geraten. Ich wollte von ihm wissen, an was er sonst arbeitet. Nir dazu: »Ich beschäftige mich vor allem mit interaktiver Werbung, wie sie auch in meinem noch nicht fertigen Portfolio zu sehen ist. Außerdem interessiere ich mich für Fotografie, Zeichnen, Illustration und Grafik Design.«
Nir Avigads kompletten »Daily Hitler« kann man sich im Internet auf http://www.niravigad.com/thedailyhitler/ anschauen.